Die Bücherverbrennungen

Ob vor dem Gewerkschaftshaus in Braunschweig, auf dem Berliner Opernplatz oder auf dem Gipfel des Kandel, an über 160 Orten in Deutschland fanden 1933 von März bis November Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten statt. Sie wurden von der NSDAP, der Hitlerjugend, Körperschaften der SA, der Deutschen Studentenschaft und anderen NS-Verbänden geplant und durchgeführt. Schon kurz nach der Machtübernahme zeigte sich in diesen Aktionen die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten.

Waren die Verbrennungen Anfangs noch Teil des politischen Straßenterrors der SA, so entwickelten sie sich in den ersten Monaten zu großen Inszenierungen. Am bekanntesten ist hier die Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz, wo begleitet von Feuersprüchen die Werke verfolgter Autor:innen auf den Scheiterhaufen geworfen wurden.

Bücherverbrennung in Pirna in der Breiten Straße | ©Stadtarchiv Pirna

Aktion wider den undeutschen Geist“

Die Berliner Verbrennung war Teil der „Aktion wider den undeutschen Geist“, welche durch die Deutsche Studentenschaft organisiert wurde. Im Rahmen dieser Aktion fanden reichsweit in 41 Städten Bücherverbrennungen rund um den 10. Mai 1933 statt. Begleitet von Vorlesungsboykotten und der Entfernung z. B. jüdischer Professor:innen wurde so eine „Säuberung“ der Hochschulen vorangetrieben.

Dunkelziffer – nicht nur Berlin

Schon kurz nach dem Krieg gab es die ersten Bestrebungen, an die Bücherverbrennungen und die verfolgten Schriftsteller:innen zu gedenken. Der „Tag des freien Buches“ wurde 1947 als Gedenktag für die Bücherverbrennungen von 1933 in allen vier Sektoren Nachkriegsdeutschlands begangen. Doch schon hier zeichnete sich eine Fokussierung des Gedenkens auf die studentischen Verbrennungen ab. Dieser Fokus hat sich bis heute nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung und Erinnerung, sondern auch in der wissenschaftlichen Betrachtung gehalten, In der Folge gibt es auch heute noch eine Konzentration auf den 10. Mai als Gedenktag.

Demgegenüber hat die Verringerung der Dunkelziffer in den letzten Jahren gezeigt, wie facettenreich und regional unterschiedlich die Ereignisse von 1933 waren.

Die „schwarzen Listen“

Wurden bei den frühen Verbrennungen noch wahllos die Bücher aus den Bibliothek linker Gewerkschaftshäuser und Verlage verbrannt, so wurden im April 1933 durch den Bibliothekar Wolfgang Herrmann die ersten „Schwarzen Listen“ erstellt. Auf diese stützen sich die Student:innen in ihren reichsweiten Verbrennungen rund um den 10. Mai.

Die Listen waren auch Grundlage für die später durch die Reichsschrifttumskammer herausgegebene „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“.

Eine komplette Liste der „verbrannten Bücher“ zu erstellen ist unmöglich. Bereits die Liste „Schöne Literatur“ vom Bibliothekar Herrmann wurde mit dem Vermerk „Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Ausschließlichkeit“ versehen, was in der Folge wohl auch für die anderen Listen gegolten hat. Die örtlichen Veranstalter hatten ausdrücklich „jegliche Freiheit“ vom DSt-Hauptamt zugestanden bekommen.

Zu den gelisteten Schriften hinzu kommen außerdem die betroffenen Bücher aus den nicht zentral organisierten „wilden“ Verbrennungen.

Reaktionen Presse

Während in Deutschland die meisten Zeitungen gleichgeschaltet über die Vorgänge berichteten, nutzen amerikanische Zeitungen deutliche Worte: das Time Magazine sprach von einem „bibliocaust“ und die „Newsweek“ schrieb von einem „holocaust of books“.

Die Feuersprüche

1. Rufer: Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Marx und Kautsky.

2. Rufer: Gegen Dekadenz und moralischen Zerfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Glaeser und Erich Kästner.

3. Rufer: Gegen Gesinnungslumperei und politischen Verrat, für Hingabe an Volk und Staat!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Friedrich Wilhelm Foerster.

4. Rufer: Gegen seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens, für den Adel der menschlichen Seele!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Sigmund Freud.

5. Rufer: Gegen Verfälschung unserer Geschichte und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten, für Ehrfurcht vor unserer Vergangenheit!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Emil Ludwig und Werner Hegemann.

6. Rufer: Gegen volksfremden Journalismus demokratisch-jüdischer Prägung, für verantwortungsbewusste Mitarbeit am Werk des nationalen Aufbaus!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Theodor Wolff und Georg Bernhard.

7. Rufer: Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geist der Wehrhaftigkeit!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Erich Maria Remarque.

8. Rufer: Gegen dünkelhafte Verhunzung der deutschen Sprache, für Pflege des kostbarsten Gutes unseres Volkes!
Ich übergebe der Flamme die Schriften von Alfred Kerr.

9. Rufer: Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist!
Verschlinge, Flamme, auch die Schriften von Tucholsky und Ossietzky!“


Neuköllner Tageblatt.
Nr. 111, 12. Mai 1933.

Nicht nur Berlin – Phasen und Hintergründe

Betrachten wir die Bücherverbrennungen von 1933 in Gänze, so können wir sie in drei Phasen unterteilen. Jede dieser Phasen weist spezifische Merkmale auf. Aber auch jede einzelne Bücherverbrennung hatte ihre Besonderheiten. . Gerade die Betrachtung der regionalen Zusammenhänge und Akteur:innen ermöglicht eine neue und differenzierte Sichtweise auf die Ereignisse von 1933 vor Ort.

1. Phase – März bis Anfang Mai 1933

In dieser Phase fanden hauptsächlich Verbrennungen im Rahmen des politischen Straßenterrors gegen Andersdenkende statt. Schwerpunkt waren hier kommunistische, sozialistische und jüdische Verlage, Gewerkschaften und Buchhandlungen. Bisher sind für diese Phase 41 Verbrennungen dokumentiert.

2. Phase – Mai bis Anfang Juni 1933

Im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ brannten in mindestens 20 Hochschulstädten im damaligen Deutschen Reich die Scheiterhaufen. Diese Verbrennungen wurden zentral durch die Deutsche Studentenschaft organisiert und durch lokale Student:innen durchgeführt. Oft mit anderen Akteur:innen zusammen. Sie fanden zum großen Teil am 10. Mai statt. Regionale Besonderheiten, Parallelveranstaltungen und Witterungsbedingungen führten dazu, dass sich die Verbrennungen bis in den Juni zogen.

3. Phase – Ende Mai bis November 1933

In der 3. Phase kam es im gesamten damaligen Deutschen Reichen zu unzähligen weiteren Verbrennungen. Diese variierten stark in ihrer Form und Ausprägung. Es gab sowohl die „wilden“ Verbrennungen im Rahmen des politischen Straßenterrors, als auch groß inszenierte Verbrennungen im Stil der „Aktion wider den undeutschen Geist“. Viele der Verbrennungen in dieser Phase waren stark von diesen inspiriert. Auch in dieser Phase gab es koordinierte Aktionen in mehren Orten, so z. B. die „Kampfwochen gegen Schmutz und Schund“ in Baden, bei den es in mehreren Orten zu Bücherverbrennungen kam.

Aufgrund der überregionalen Berichterstattung und des universitären Rahmens konzentrierte sich die Forschung lange auf die studentischen Verbrennungen. In der heutigen Wahrnehmung und Erinnerung spielen die Verbrennungen der Phasen eins und drei nur eine nebengeordnete Rolle. Ein besonderer Fokus liegt außerdem auf Bücherverbrennungen in Berlin.

Diese Fokussierung führte in der Vergangenheit zu einer enormen Dunkelziffer und verschleierte das wahre Ausmaß. In den letzten zehn Jahren sind mehr als 50 weitere Bücherverbrennungen bekannt geworden.

Phase 1 – März bis Mai 1933

In diese Phase fallen die Bücherverbrennungen vor dem 10. Mai 1933, welche nicht zur „Aktion wider den undeutschen Geist“ gehören. Der Großteil von ihnen fand im Rahmen des politischen Straßenterrors durch SA und SS kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten statt. Nach dem Sieg Hitlers bei den Reichstagswahlen am 5. März ging die NSDAP verstärkt gegen den politischen Gegner vor. Hierbei konzentrierte sie sich bewusst auf die SPD, die KPD und die Gewerkschaften. Ihnen wurde die organisatorische Basis entzogen, indem systematisch Gewerkschaftshäuser, Parteibüros und Verlage besetzt und geplündert wurden. Allzu oft kam es hierbei auch zu Folterungen und Morden. Im Rahmen der Plünderungen wurde das Innere häufig verwüstet und die wertvollen Druckereien zerstört. Die oft vorhandenen Bibliotheken wurden wahllos geplündert und teilweise direkt vor dem Haus verbrannt. Ebenso geschah dies bei den, häufig im selben Haus sitzenden, Buchhandlungen. In kleineren Orten wurden in diesem Zuge zum Teil auch die Privatwohnungen von politischen Gegner:innen durchsucht und geplündert.


Bücherverbrennung in Dresden am Wettiner Platz | ©SLUB / DeutscheFotothek / Unbekannter Fotograf

Ein wichtiges Merkmal der Verbrennungen in der ersten Phase ist, dass sie nicht explizit als Bücherverbrennungen geplant waren. Sie fanden spontan und beiläufig als Begleiterscheinung der Übergriffe von SA und SS statt. Auch betraf die Verbrennung nicht alleine die Literatur, sondern auch Fahnen, Flugblätter, Zeitungen, Akten und Möbel aus den Plünderungen.

Die Verbrennungen in dieser Phase folgten außerdem keinen systematischen Listen von Autor:innen. Der Inhalt der Hausbibliotheken wurde gesamt dem politischen Gegner zugeschrieben und verbrannt. Dadurch lässt sich für diese Zeit nur sehr begrenzt feststellen, welche Autor:innen betroffen waren.

Verbrennungen nach diesem Schema machen den Großteil der ersten Phase aus. Es gab aber auch einige inszenierte und geplante Verbrennungen. Federführend war hier die Hitlerjugend (HJ). Der Großteil der Bücher stammte aus Schulbibliotheken und wurde zum Teil direkt auf den Schulhöfen verbrannt. Einige Verbrennungen fanden aber auch in Verbindung mit einem Aufmarsch auf öffentlichen Plätzen statt. Diese Verbrennungen stützten sich noch nicht auf eine gemeinsame Indizierungsliste. Im Unterschied zu den „wilden“ Verbrennungen durch SS und SA tauchen hier aber Autor:innen namentlich auf. Dies betraf u. a. Erich Maria Remarque, Ernst Toller, Lion Feuchtwanger und Kurt Tucholsky.

Phase 2 – Mai bis Juni 1933

In diese Phase fallen Bücherverbrennungen rund um den 10. Mai, die im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ stattfanden. Mit wenigen Ausnahmen fanden diese Aktionen allesamt im Mai 1933 statt. Schon am 13. April begann die Deutsche Studentenschaft (DSt) ihre Kampagne mit der Verbreitung des Plakates „Wider den undeutschen Geist“. Sie gipfelte in den Scheiterhaufen vom 10. Mai, umfasste aber neben den Bücherverbrennungen auch die personalpolitische Umsetzung des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April, indem die Student:innen gezielt jüdische Professor:innen von den Hochschulen entfernten.

Die „Aktion wider den undeutschen Geist“ wurde zentral aus Berlin koordiniert, anders als vielerorts behauptet aber nicht durch das Reichspropagandaministerium, sondern eben durch die Studentenschaft. Die DSt versuchte mit dieser reichsweit organisierten Aktion einen Beitrag zur „nationalen Revolution“ zu leisten und ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Viele ihrer Hauptakteure machten im nationalsozialistischen Deutschland Karriere.

Doch die DSt war alleine nicht in der Lage eine Aktion dieser Größe in der Fläche zu organisieren. Daher suchten sie nach Bündnispartnern und fanden diese u. a. in der Hitlerjugend (HJ), die, beschränkt auf das Reichsland Bayern, rund um den Tag der Jugend am 7. Mai zahlreiche Bücherverbrennungen durchführte. Diese Bücherverbrennungen waren unter dem Motto „Nie wieder Marxismus“ geplant und sollten maßgeblich mit Büchern aus den staatlichen und städtischen Bibliotheken durchgeführt werden. Trotz der früheren Terminierung lässt sich ein klarer Zusammenhang zur Aktion des DSt erkennen. Nicht umsonst rief diese schon am 8. April in ihrem Rundschreiben dazu auf, auch in „größeren Orten ohne Hochschule“ so genannte Kampfausschüsse zu bilden.

Bis heute ist das historische Gedächtnis und die Erinnerung maßgeblich durch die Verbrennungen im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ geprägt. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei die Verbrennung auf dem Berliner Opernplatz ein. Immer wieder wird auch Goebbels, der in Berlin als Redner fungierte, als Initiator der Bücherverbrennungen gesehen. Dass Goebbels auf der Bücherverbrennung sprach, ist nicht zuletzt auch Mitgrund für die internationale Empörung gewesen. Das Reichspropagandaministerium war zwar nicht Initiator der Bücherverbrennungen, aber inhaltlicher, finanzieller und organisatorischer Bündnispartner. So wurde zum Beispiel die Plakataktion mit den „12 Thesen gegen den undeutschen Geist“ durch das Ministerium finanziert.

Phase 3 – Mai bis November 1933

In diese Phase fallen Bücherverbrennungen, die zeitlich nach der studentischen „Aktion wider den undeutschen Geist“ stattfanden. Die Verbrennungen in dieser Phase sind sehr unterschiedlichen Charakters. Sie umfassen sowohl gleichzeitige Verbrennungen in koordinierten Aktionen, aber auch viele Einzelaktionen unterschiedlichster Ausgestaltung. Alle Verbrennungen dieser Phase einte, dass sie deutlich von der studentischen Aktion inspiriert waren. Nur wenige Verbrennungen ähnelten eher denen der ersten Phase und fanden im Anschluss von Plünderungen statt.

Es gab zwei organisierte Aktionen, bei denen mehrere Verbrennungen gleichzeitig stattfanden. Hier machten die Bücherverbrennungen auf Schulhöfen in der Rheinprovinz den Anfang. Sie waren behördlich durch den Oberpräsidenten der Provinz angeordnet und fanden am 19. Mai statt. Die Initiative wurde in die Hände der Hitlerjugend gelegt, welche die Plünderung der Schulbibliotheken organisierte. Die Lehrer:innen mussten nun den örtlichen HJ-Führern Rechenschaft ablegen, warum die verbrannten Bücher vorher überhaupt in die Bibliotheken aufgenommen wurden.

Die zweite zentral organisierte Verbrennungsaktion fand im Rahmen der „Kampfwoche gegen Schmutz- und Schundliteratur“ in Baden statt. Auch hier war die Hitlerjugend federführend. Schon kurz nach den studentischen Verbrennungen veröffentlichte sie am 14. Mai den Aufruf für die Kampfwochen. Großspurig heißt es im Aufruf: „Am Ende der ersten Woche wird die Hitlerjugend in jeder badischen Stadt einen großen Demonstrationszug veranstalten, um […] den gesammelten Bücherdreck feierlich zu verbrennen.“ Verbrennungen fanden wohl nicht in jeder badischen Stadt statt, aber es zeigte sich in den letzten Jahren auch eine große Dunkelziffer im Forschungsstand.

Neben den beiden konzertierten Aktionen kam es in der dritten Phase zu einer großen Anzahl von regionalen Verbrennungen im gesamten Reichsgebiet, die sich von der Inszenierung her stark an der studentischen Aktion orientierten. Einige dieser Verbrennungen fanden im Rahmen von Sonnenwendfeiern Ende Juni statt, andere zogen sich bis in den November hinein. Die Akteur:innen waren regional unterschiedlich, aber auch hier war die HJ stark vertreten und trat oft als Hauptveranstalter auf. Darüber hinaus traten der Kampfbund für deutsche Kultur, der Deutsche Handlungsgehilfen-Verband, die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation sowie diverse NSDAP-Ortsgruppen als Veranstalter in Erscheinung.

Verboten, verbannt, verbrannt – Literaturpolitik im Dritten Reich


Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass „[…] stets auch das Leben in die Schriften
eingreift“,schrieb Jan-Peter Barbian in seinem Werk zur Literaturpolitik im Dritten Reich. In der Diktatur des NS in Deutschland von 1933 bis 1945 griff nicht nur das Leben in die Schriften, sondern auch Ideologie und Politik. Dieser Eingriff erfolgte nicht nur durch die Neugründung und die Gleichschaltung von Institutionen, sondern auch durch die Entwicklung und Förderung eines gesellschaftlichen Bildes von „Schmutz- und Schundliteratur“, welche verbannt und verboten gehörte. Die Aussonderung und Verbannung von Schriften fand nicht nur in den symbolisch mächtigen Bücherverbrennungen statt, sondern auch in der alltäglichen Bürokratie der Buchhandlungen, Verlage und Bibliotheken.

Gleichzeitig wurde demgegenüber ein Bild geprägt über die erwünschte Literatur, welche im Sinne der „deutschen Volksgesundheit“ sei. Nicht umsonst rief Goebbels in seiner Rede auf dem Berliner Opernplatz die Student:innen dazu auf „[…] an der Stelle dieses Unrates einem wirklichen deutschen Geist die Gasse freizumachen.“

Mit Beginn der Machtübernahme wurden politisch genehme Schriftsteller:innen gezielt gefördert und nahmen nach und nach die Positionen ihrer verfolgten Berufskolleg:innen ein. Diese Kanonbildung fand durch die Chefredakteure und Medienmacher der gleichgeschalteten Verlagshäuser statt, aber auch durch verschiedene Institutionen in der nationalsozialistischen Verwaltung. Beispielhaft sind hier die Reichsschrifttumskammer und der Kampfbund für deutsche Kultur zu nennen.

Reichsschrifttumskammer

„Es gehört zu den Obliegenheiten der Reichsschrifttumskammer das deutsche Kulturleben von allem schädlichen und unerwünschten Schrifttum rein zu halten.“ So heißt es in der Anordnung der Reichsschrifttumskammer „Unerwünschtes Schrifttum“.

Die Reichsschrifttumskammer wurde als eine von sieben Einzelkammern in der Reichskulturkammer im September 1933 gegründet. Sie war zuständig für alle mit Büchern zusammenhängenden Kulturberufe und genau wie die anderen sechs Kammern war sie eine Zwangsorganisation. Wer kein Mitglied in ihr war, konnte auf dem Gebiet des Schrifttums nicht beruflich tätig werden. Dies gab den Nationalsozialisten gleichzeitig die Möglichkeit, durch Ausschluss aus der Kammer Berufsverbote gegen unerwünschte Personen zu verhängen. Die Basis der Kammer bildeten verschiedene Berufsverbände die im Zuge der Gleichschaltung in die Kammer aufgenommen wurden. So z. B. der Reichsverband deutscher Schriftsteller, der Börsenverein der Deutschen Buchhändler und der Verein Deutsche Bibliothekare. Laut Handbuch der Reichskulturkammer gehörte zu den Aufgaben der Reichsschrifttumskammer, den Berufsstand von „unerwünschten Elementen“ und den Buchmarkt von „undeutschem Gut“ rein zu halten.

Kampfbund für deutsche Kultur und das Amt Rosenberg

Der Kampfbund für deutsche Kultur war ein völkisch gesinnter und antisemitisch ausgerichteter Verein, der während der Weimarer Republik und den Anfängen des Nationalsozialismus bestand. Im Oktober 1933 umfasste er ca. 38.000 Mitglieder in 450 Ortsgruppen. Einige dieser Ortsgruppen waren auch an den Bücherverbrennungen von März bis November 1933 beteiligt. Der Kampfbund ging 1934 innerhalb des Amt Rosenberg auf, welches ein Überwachungsamt für Kulturpolitik war. Aufgrund des langen Namens „Amt des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung der NSDAP“ ist es unter Amt Rosenburg oder Reichsüberwachungsamt bekannt.

Listen verbotener Literatur

Unterschiedliche Listen wurden zur Verfolgung von unliebsamen Autor:innen während des Nationalsozialismus erstellt. Bei der Vernichtung von Literatur im NS-Staat erheben diese Listen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Oft wurde bei Plünderungen wahllos vorgegangen oder regionale Persönlichkeiten besonders bedacht. Auch gab es Aufrufe, wie zum Beispiel durch Wilhelm Baur, Vorstand des Börsenvereins, dass jeder Buchhändler von sich aus, auch ohne Liste, das nötige „Gespür für unerwünschte Literatur“ besitzen müsste.

Die Schwarzen Listen“des Bibliothekars Wolfgang Herrmann waren jene, die den Student:innen im Mai 1933 das Material für die Bücherverbrennungen lieferte. Bereits am 26. März erschien die erste „Liste verbrennungswürdiger Bücher“. Sie war vorläufig und unvollständig. Herrmann arbeitete sie im Rahmen des „Ausschuss zur Neuordnung der Berliner Stadt- und Volksbüchereien“ weiter aus. Anfänglich dienten seine Listen nur der Aussonderungen in Bibliotheken. Ab dem 26. April übermittelte Herrmann weitere, auf dieser Basis erstellte Listen an die Deutsche Studentenschaft. Die „Schwarzen Listen“ wurden fortlaufend ergänzt und erweitert.

Auf ihrer Basis entstand ab 1935 die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“, die von der Reichsschrifttumskammer herausgegeben wurde. Sie wurde bis 1941 laufend ergänzt und am Ende fanden sich ca. 12.400 Titel und das Gesamtwerk von 149 Autor:innen auf ihr.

Biographien

Mascha Kaléko

Als ich Europa wiedersah
– Nach jahrelangem Sehnen –

Als ich Europa wiedersah,
Da kamen mir die Tränen.


Mascha Kaléko, Als ich Europa wiedersah …

wurde am 7. Juni 1907 in Galizien (Polen) geboren. 1914 übersiedelte sie mit ihrer Mutter nach Deutschland, um Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung zu entgehen. Nach kurzen Zwischenstopps in Frankfurt und Marburg zogen sie 1918 nach Berlin. Dort verbrachte sie ihre Schul- und Studienzeit. Obwohl Mascha Kaléko eine gute Schülerin war und studieren wollte, begann sie, wohl auf Druck ihres Vaters, eine Bürolehre im Arbeiterfürsorgeamt der jüdischen Organisationen Deutschlands.Ende der 1920er Jahre kam sie mit der künstlerischen Avantgarde der Hauptstadt in Kontakt und lernte auch Else Lasker-Schüler und Joachim Ringelnatz kennen. 1929 veröffentlichte sie ihre ersten Kabarettgedichte. Die Gedichte spiegelten im heiter-melancholischen Stil die Lebensrealität der kleinen Leute wider. Durch die reichsweiten nationalsozialistischen Bücherverbrennungen 1933 war ihr Werk wohl noch nicht betroffen. Die Nationalsozialisten hatten damals noch nicht erfasst, dass Mascha Kaléko Jüdin war.

Doch bald wurden ihre Bücher als „schädliche und unerwünschte Schriften“ von den Nationalsozialisten verboten. Sie emigrierte im September 1938 mit ihrer Familie in die Vereinigten Staaten und hielt dort die Familie mit dem Verfassen von Reklametexten über Wasser und schrieb unter anderem Kindergedichte. Mascha Kaléko war vernetzt und aktiv in der Szene der deutschen Exilant:innen. Nach dem Krieg wurden ihre Werke auch in Deutschland wieder von einem breiten Publikum gelesen. 1960 sollte sie den Fontane-Preis der Akademie der Künste in Berlin (West) verliehen bekommen. Als Kaléko erfuhr, dass der ehemalige SS-Standartenführer Hans Egon Holthusen in der Jury für den Preis saß, lehnte sie die Nominierung ab. Im selben Jahr wanderte sie ihrem Mann zu Liebe nach Jerusalem aus. Im Herbst 1974 besuchte sie ein letztes Mal Deutschland. Auf der Rückreise verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, so dass sie in Zürich ins Krankenhaus musste. Dort verstarb sie am 21. Januar 1975.

Erich Mühsam

Der Staat, der mir die Freiheit nahm,

der folgt, mich zu betrügen,
mir in den Kerker ohne Scham.
Ich soll dem Paragraphenkram

mich noch in Fesseln fügen.

Sich fügen heißt lügen!


Erich Mühsam, Der Gefangene

wurde am 6. April 1878 in Berlin geboren. Aufgewachsen ist er mit seinen Eltern und Schwestern in Lübeck. Seine schriftstellerische Neigung fiel bereits in seiner frühen Jugend auf, als er im Alter von elf Jahren begann, Tierfabeln zu verfassen. Und auch seine politische Neigung zeigte sich schon früh. Am 11. Januar 1896 wurde er wegen „sozialdemokratischer Umtriebe“ der Schule verwiesen. Er hatte Berichte über schulinterne Vorgänge an den Lübecker Volksboten weitergegeben. Sein Vater war Apotheker und in dieser Familientradition begann er eine Apothekerlehre. 1901 zog er nach Berlin und wurde 1902 Redakteur der anarchistischen Zeitschrift „Der arme Teufel“. 1904 bis 1908 folgten Wanderjahre durch Europa. Auf diesen lernte er Karl Gräser kennen, der eine wichtige Inspiration im Aufbau einer Gemeinschaft nach anarchistischen Idealen war. Mühsam zog 1909 nach München und versuchte dort diese Gemeinschaft zu gründen. Er gründet die Gruppen „Tat“ und „Anarchist“, welche die „Agitation des Lumpenproletariats“ für den Anarchismus zum Ziel hatten. Als Zentralfigur der Schwabinger Bohème war er befreundet mit Heinrich Mann, Frank Wedekind, Lion Feuchtwanger und vielen anderen. Ende 1918 wurde er Mitglied des „Revolutionären Arbeiterrates“ und befürwortete die Ausrufung des Freistaates Bayern als Räterepublik. Er gehörte neben Ernst Toller und Gustav Landauer zu den Initiatoren und Anführern der Münchener Räterepublik. Im Zuge deren Zerschlagung wurde er inhaftiert. Nach fünf Jahren Haft wurde er 1924 amnestiert. Durch sein politisches Engagement vor, während und nach der Haftzeit war er den Nationalsozialisten von Beginn an ein Dorn im Auge. In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde er als einer von vielen verhaftet und im KZ Oranienburg interniert. Nach über 16-monatiger „Schutzhaft“ wurde er von SS-Angehörigen am 10. Juli 1933 ermordet.

Erich Kästner

Da dreht sich einem der Magen um. Schriftsteller von Weltruf hatten aus ihrem Vaterland fliehen müssen. Andere saßen im Kerker und wurden totgeschlagen […] Berge von Büchern waren auf Scheiterhaufen verbrannt worden.


Erich Kästner, Briefe in die Röhrchenstraße

wurde am 23. Februar 1899 in Dresden geboren. Sein Vater war Sattlermeister und und die Mutter Dienstmädchen, Heimarbeiterin und später Friseurin. Zu ihr hatte Kästner eine besonders enge Beziehung, die auch immer wieder in seinen Kinderbüchern als Motiv auftaucht.

Er begann eine Ausbildung als Volksschullehrer, welche er aber kurz vor ihrem Ende abbrach. 1917 wurde er zur Armee einberufen. Die Brutalität der dortigen Ausbildung prägte ihn zum Antimilitaristen. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges machte Kästner den Abschlusskurs am Lehrerseminar und holte ein Jahr später auch sein Abitur nach. Im Herbst 1919 begann er in Leipzig sein Studium in Geschichte, Philosophie, Germanistik und Theaterwissenschaft. Während des Studiums begann er als Journalist und Theaterkritiker zu arbeiten. Nach seiner Kündigung bei der Neuen Leipziger Zeitung zog er 1927 nach Berlin. Seine Berliner Jahre während der Weimarer Republik zählten zu seiner produktivsten Zeit. Er veröffentlichte Gedichte, Reportagen und vieles mehr in verschiedensten Zeitschriften und Zeitungen Berlins. 1928 veröffentlichte er sein erstes Buch „Herz auf Taille“. 1929 folgte sein erstes Kinderbuch. Mit seiner Gebrauchslyrik entwickelte sich Kästner bis 1933 zu einem der wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten reiste Kästner für kurze Zeit in die Schweiz, wo er auch andere Exilant:innen traf, kehrte jedoch schnell nach Berlin zurück. Er wolle ein Chronist der Ereignisse sein war seine Begründung für diesen Schritt. Kästner war den neuen Machthabern als „Asphaltliterat“ verhasst und seine Werke, bis auf „Emil und die Detektive“, wurden im Mai 1933 bei den studentischen Bücherverbrennungen auf die Scheiterhaufen geworfen. Auf dem Berliner Opernplatz mischte sich Kästner unter die Menge und wurde selbst Zeuge bei der Verbrennung seiner Werke. Trotzdem verließ er Deutschland nicht. Mit einem Publikationsverbot belegt veröffentlichte er unter verschiedene Pseudonymen. Auch die Erträge aus dem Ausland erreichten ihn und sicherten seinen Lebensunterhalt. Nach Ende des Krieges zog er nach München, wo er bis zu seinem Tod am 29. Juli 1974 lebte. Bis zu seinem Lebensende engagierte sich der Pazifist Erich Kästner gegen Krieg und äußerte sich immer wieder kritisch gegen die Remilitarisierung.

Literatur im Exil

Nachdem die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen, flohen schätzungsweise eine halbe Million Menschen. Darunter waren auch viele Künstler:innen und Schriftsteller:innen. Warum Menschen ins Exil gegangen sind, ist je nach Einzelschicksal unterschiedlich. Durch die Ideologisierung der Kulturpolitik und der damit verbundenen Verfolgung und Verdrängung wurden zahlreiche Künstler:innen ins Exil getrieben. Einige befanden sich bereits in akuter Lebensgefahr, andere kamen dieser Situation durch ihre Flucht zuvor. Ihre Kunst wurde als „entartet“ verurteilt. Den jüdischen Künstler:innen wurde sogar ganz die Fähigkeit zur Kunst abgesprochen.

Die meisten Künstler:innen, die kurz nach der Machtübernahme ins Exil gingen, flohen in die europäischen Nachbarländer, um die Entwicklung in Deutschland abzuwarten. Für sie gab es dadurch auch die Möglichkeit, den Kontakt zu ihrem Publikum nicht zu verlieren. Zentrale Länder waren hier Frankreich und die Tschechoslowakei, wo sich rasch eine lebendige Exilszene entwickelte. Für viele führte der Weg aber mit Kriegsbeginn und der damit verbundenen Ausweitung des nationalsozialistischen Machtbereichs in weiter entfernte Länder. Wichtige Aufnahmeländer waren hier die USA, Länder in Südamerika, aber auch Großbritannien und Palästina. Welches Land sie wählten, hing nicht nur von den eigenen Wünschen und finanziellen Möglichkeiten ab, sondern auch davon, wie einfach die Einreisebestimmungen waren.

Neben der Flucht ins Exil gingen einige Schriftsteller:innen im Nationalsozialismus auch in die innere Emigration. Sie standen zwar in politischer Opposition zum NS-Staat, gingen aber nicht ins Exil. Die Gründe hierfür waren vielfältig. Konnten die einen sich nicht aus ihren sozialen Bindungen lösen, so wollten die anderen als Zeug:innen im Land bleiben und mit literarischen Mitteln Widerstand leisten. Die Autor:innen entwickelten, waren sie nicht mit einem Schreibverbot belegt, eigene Formen des „Zwischen-den-Zeilen“-Schreibens.

Mit dem Gang ins Exil ging für viele eine große finanzielle Verunsicherung einher. Sie verloren nicht nur ihre Vertriebswege, ihre Netzwerke und sozialen Bindungen, sondern auch das Gefühl der Zugehörigkeit. Für einige waren diese Verluste nicht zu ertragen und sie beendeten ihr Leben.

Aus diesen Verlusten entstand bei vielen aber auch der Wunsch sich auszutauschen, zu diskutieren und eigene Publikationswege zu finden. Sie gründeten Exilzeitschriften und Verlage. Diese waren Orte der Debatten und Informationsquellen. Die Exilant:innen waren beileibe keine homogene Gruppe. Ideologische und künstlerische Positionen unterschieden sie. So entwickelten sich im Exil eine Vielzahl an unterschiedlichsten, auch streitenden, Vereinigungen. Schon 1933 gründeten sich der „Schutzverband deutscher Schriftsteller in Paris“ und der deutsche PEN-Club im Exil. Diese und andere Vereinigungen dienten nicht nur der Interessenvertretung, sondern gaben auch einZugehörigkeitsgefühl.

Viele der geflohenen Autor:innen beschäftigten sich in ihren Werken mit den Geschehnissen im NS-Deutschland. Heinrich Mann war der Auffassung, dass in Wirklichkeit nur antifaschistische Literatur die „einzige deutsche Literatur sei“. Deutlich seltener erschienen Werke, die Themen und Gesellschaft des Gastlandes aufgriffen. Nur wenige schafften den Sprachwechsel und konnten sich so einem größeren Publikum anbieten. Wer vorher schon international gearbeitet hatte, war hier natürlich im Vorteil.

Mit dem Ende des Krieges stellte sich für die Exilant:innen die Frage der Rückkehr. Nicht wenige entschieden sich gegen die Rückkehr in das Land, welches sie vertrieben hatte. Einige waren im Aufnahmeland heimisch geworden, hatten Familien gegründet und sich eine neue Existenz aufgebaut. Andere wollten nicht in das Land zurück, welches ihre Werke verbrannt hatte und dessen Ziel die Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen gewesen war.

Meinungsfreiheit damals und heute

Auswirkungen der Bücherverbrennungen auf die Meinungsfreiheit in der NS-Zeit

Die Bücherverbrennungen lösten eine Welle der Begeisterung und des Schreckens aus. Sie bereiteten den Weg für weitere, vorher unvorstellbare, Grenzüberschreitungen bis hin zum Holocaust. In der direkten Folge wurde die Bücher auf den „Schwarzen Listen“ systematisch aus Bibliotheken und Buchhandlungen entfernt. Obwohl viele der betroffenen Werke in privaten Regalen überlebten, wurden sie dadurch praktisch komplett aus der Öffentlichkeit verbannt. Durch die totalitär ideologische Kulturpolitik, die Zensur der Medienlandschaft und die Gleichschaltung entscheidender Institutionen wie Vereine, Verbände etc. wurde der Rahmen, in dem der öffentliche Diskurs und die Meinungsbildung stattfinden konnte, extrem eng abgesteckt. Dadurch wurde die Meinungsfreiheit in der NS-Zeit faktisch abgeschafft.


CartoonvonJerryDoyle,erschienenam10.Mai1943inder„PhiladelphiaRecord“ | ©USHMM–LibraryofCongress(PublicDomain)

Auswirkungen der Bücherverbrennungen in der Nachkriegszeit

Die kulturelle Entwicklung Deutschlands erlitt durch die Bücherverbrennungen einen folgenreichen Bruch. Erlebte die Literatur in der Weimarer Republik eine Blütezeit und erschloss ihren Leser:innen neue Realitätsbereiche, Milieus und Erfahrungen, setzten die Nationalsozialisten dieser Entwicklung 1933 ein brutales Ende. Nach 1945 war es dann nicht möglich, eine Kontinuität zur Vorkriegszeit herzustellen. Einerseits haben sich einige prägende Schriftsteller:innen unter dem Druck des Exils das Leben genommen, andererseits stand nun die Verarbeitung der einschneidenden Erfahrungen der vergangenen zwölf Jahre im Vordergrund. Zu stark hatte die nationalsozialistische Diktatur die Welt, die Gesellschaft und auch die Autor:innen selbst verändert. In Folge dessen publizierten Verlage in der Nachkriegszeit häufig lieber neue Werke statt “verbrannte Bücher” neu aufzulegen.


Titelblatt der Flugschrift „Nazi-German in 22 Lessons“ von WalterTrier,1942 | DeutschesExilarchiv1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek, EB Ks 474

Meinungsfreiheit heute

Heute erinnern wir an die Bücherverbrennungen und machen uns den Wert der Meinungsfreiheit für unsere demokratische Gesellschaft bewusst, die Freiheit, alles sagen, schreiben, lesen und veröffentlichen zu dürfen. Alle Arten von Ideen, Meinungen und Positionen müssen in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht werden können. Die Meinungsfreiheit ist eines der zentralen Menschenrechte und macht es überhaupt erst möglich, sich öffentlich für Demokratie und weitere Menschenrechte einzusetzen. Eines davon ist die Gleichheit vor dem Gesetz, wonach niemand benachteiligt oder ausgegrenzt werden darf, weil er oder sie eine bestimmte Herkunft, Hautfarbe, Religion oder ein bestimmtes Geschlecht hat. Leider wird die Meinungsfreiheit, insbesondere von Rechtsradikalen, immer wieder zu diesem Zwecke missbraucht. Die Frage, ob es für die Vielfalt unserer Gesellschaft zuträglich ist, nicht allen Meinungen eine Plattform zu geben, oder ob solche Bestrebungen die Meinungsfreiheit in Gefahr bringen, wird zur Zeit heiß diskutiert. Die Möglichkeit zu haben, diese Diskussionen frei zu führen, ist ein großes Privileg unserer Demokratie. Es ist eine Errungenschaft unserer Zeit, dass hierbei den Perspektiven der von Diskriminierung betroffenen Gruppen immer größere Aufmerksamkeit geschenkt wird

„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“

Mit diesen Worten warnte der italienische Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Primo Levi 1986 davor, die Verbrechen des Holocausts in Vergessenheit geraten zu lassen.

Ich engagiere mich für Demokratie und Meinungsfreiheit!

Freie Radios

Freie Radios sind selbstbestimmte, offene Medien insbesondere für Unbekanntes und Vernachlässigtes in Wort und Musik. Sie sind kollektiv und gesellschaftlich organisiert und lehnen Finanzierung durch kommerzielle Werbung ab. Sie sind oft eingebunden in Communities vor Ort und bieten Raum für pluralistische Meinungsvielfalt.

https://www.freie-radios.de

Netzwerke für Demokratie und Toleranz

In verschiedenen Bundesländern und Landkreisen gibt es Netzwerke für Demokratie und Toleranz. In ihnen versammeln sich unterschiedlichste Initiativen, die eine Anlaufstelle für euer Engagement sein können.

https://blog.verbrannte-orte.de/netzwerke-fuer-demokratie-und-toleranz/

Aufstehen gegen Rassismus“ ist eine Kampagne, die sich im Frühjahr 2016 als breites Bündnis gegründet hat. Anfangs lag der Schwerpunkt in einer inhaltlichen und aktionistischen Arbeit gegen die AFD. Mittlerweile hat sich das Themenfeld verbreitet und auch Pegida, Querdenker:innen und andere Rassisten und Menschenfeinde sind in den Blickpunkt geraten. Getragen wird das Bündnis von einer großen Anzahl an Organisationen und Einzelpersonen. In vielen Orten gibt es jetzt Ortsgruppen, welche einen Anknüpfungspunkt für euer Engagement bilden können.

https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/

Gedenkstätten

Bundesweit gibt es eine Vielzahl von Gedenkstätten an Orten des NS-Terrors. Sei es an ehemaligen Konzentrationslagern, Gefängnissen oder Polizeistationen. Gedenkstätten sind mit ihrem vielfältigen Bildungsangebot zu unterschiedlichsten Facetten der NS-Geschichte wichtige Lernorte für Demokratie und Meinungsfreiheit.

www.gedenkstaettenforum.de/

Die Amadeu Antonio Stiftung ist eine 1998 gegründete Stiftung, welche es sich zum Ziel gesetzt hat, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken. Dafür setzt sie zum einen eigene Projekt um, fördert aber auch viele Initiativen und Projekte. Auf ihrer Internetseite finden sich viele Initiativen, bei denen ihr mit eurem Engagement Anschluss finden könnt.

www.amadeu-antonio-stiftung.de

Die Bewegungsstiftung fördert soziale Bewegungen, die sich für Ökologie, Frieden und Menschenrechte einsetzen. Neben ihrer Förderarbeit bietet sie umfangreiche Beratungen für Projekte und Initiativen. Unter ihren geförderten Projekten findet ihr sicherlich eines, wo ihr Lust habt euch zu engagieren.

www.bewegungsstiftung.de

Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland

Die ISD vertritt die Interessen von Schwarzen Menschen in Gesellschaft und Politik. Schwerpunkte der Arbeit sind die Themen Alltagsrassismus, rassistische Gewalt und Polizeigewalt. Ihr Ziel ist die politische Partizipation Schwarzer Menschen und die Verbesserung ihrer Lebenssituation in Deutschland. Sie hat zahlreiche Ortsgruppen, die Anlaufstellen für euer Engagement sein können.

www.isdonline.de

Rendsburg

Die Initiator*innen vom „Kampfbund für deutsche Kultur“ und Vertreter*innen von SA, SS, Stahlhelm, Hitlerjugend und BDM versammelten sich am 9. Oktober 1933 auf dem Paradeplatz zur Rendsburger Bücherverbrennung. Begleitet vom Rendsburger Posaunenchor und einem Spielmannszug wurde der Scheiterhaufen entzündet.

9. Oktober 1933 – Paradeplatz verbrannte-orte.de/rendsburg

Bautzen

Nach einem Aufmarsch durch die Stadt wurden im Steinbruch an der Löbauer Straße die Bücher verfolgter und verfemter Autor*innen verbrannt. Die Bücher stammten aus Durchsuchungen, Plünderungen und Beschlagnahmungen, die nach der Machtübernahme stattgefunden hatten. Neben den Büchern wurden Fahnen und Flugblätter verbrannt.

9. August 1933 – Steinbruch an der Löbauer Straße – verbrannte-orte.de/bautzen

Brandenburg an der Havel

Im Restaurant Schweizer Garten, wo heute das Brandenburger Theater steht, fand am 27. Juli 1933 eine der späten Bücherverbrennungen statt, organisiert durch den Kreis Brandenburg der NSDAP.

27. Juli 1933 – Restaurant im Schweizer Garten – verbrannte-orte.de/brandenburg-der-havel

Hamburg – Lohbrügge

Ein großer Teil der Lohbrügger Bevölkerung zog am 25. Juni 1933 vom Marktplatz in die Boberger Dünen, um dort, im Rahmen einer Sonnenwendfeier, die Bücher verfemter Autor*innen zu verbrennen. Alle der „Nationalen Gemeinschaft Lohbrügge“ angeschlossenen Vereine und Verbände beteiligten sich.

24. Juni 1933 – Große Boberger Düne – verbrannte-orte.de/hamburg-lohbruegge

Hamburg – Bergedorf

Im Rahmen des „Tag der Jugend“ lief ein Fackelzug mit 3000 Menschen zum Sportplatz am Schulenbrooksweg. Dort wurde ein Scheiterhaufen mit 414 Büchern entzündet und die Werke vieler verfolgter Autor*innen den Flammen Preis gegeben.

24. Juni 1933 – Fritz-Reuter-Platz – verbrannte-orte.de/hamburg-bergedorf

Schleswig

Zusammen mit der „Deutschen Arbeitsfront“ war die „Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation“ (NSBO) der Hauptakteur der Schleswiger Bücherverbrennung. Im Vorfeld wurde die Aktion mit großer Unterstützung der Schleswiger Nachrichten beworben. Deren damaliger Redaktionsleiter war Hauptakteur und treibende Kraft.

23. Juni 1933 – Stadtfeld – verbrannte-orte.de/schleswig

Schwerin

Auf einem Floß inmitten des Pfaffenteichs verbrannten am 4. Juni 1933 die Bücher zahlreicher Autor*innen unter der Leitung der SA. Inszeniert hatte die Verbrennung ein Schauspieler des Staatstheaters. Als die Straßenbeleuchtung erlosch entzündeten SA-Männer rund um den See ihre Fackeln und am Elektrizitätswerk leuchtete ein Hakenkreuz aus Glühbirnen.

4. Juni 1933 – Pfaffenteich – verbrannte-orte.de/schwerin

Neubrandenburg

Die NSDAP Ortsgruppe rief für den 31. Mai 1933 in Neubrandenburg zu einer Bücherverbrennung auf. Bei strömenden Regen marschierten nationalsozialistische Formationen auf dem Marktplatz auf und nach einer Feuerrede wurde unter „Sieg Heil“ -Rufen der Scheiterhaufen entzündet.

31. Mai 1933 – Marktplatz – verbrannte-orte.de/neubrandenburg

Hamburg – Lübecker Torfeld

Anlässlich der relativ kleinen und verregneten Verbrennung vom 15. Mai 1933 riefen die HJ und einige andere Akteur*innen zu einer größeren Verbrennung am 30. Mai 1933 auf.

30. Mai 1933 – Lübecker Torfeld – verbrannte-orte.de/hamburg-luebecker-torfeld

Flensburg – Exe

Begleitet von den pathetischen Worten und theatralen Gesten des Schauspielers Ferdinand Schröder verbrannte der „Kampfbund für deutsche Kultur“ die Bücher verfolgter Autor*innen.

30. Mai 1933 – Auf der Exe – verbrannte-orte.de/flensburg-exe

Hamburg – Eimsbüttel

Ende Mai fand nach Plünderungen eine kleinere Verbrennung durch die SA in der Methfesselstraße statt.

Ende Mai 1933 – Methfesselstraße – verbrannte-orte.de/hamburg-methfesselstrasse

„Am Abend bin ich dann vorsichtig an den Rand des Platzes an der Methfesselstraße geschlichen[…] Da war es ganz schön voll, zum Glück, denn sonst hätte man mich ja gleich gesehen. […] Männer in Uniformen […] haben da die berühmten Sprüche gejohlt, die Bücher geholt und immer ins Feuer reingeworfen.“

Friedel Büscher – Sozialdemokratin aus Hamburg – Eimsbüttel

Lübeck

Nach Gedenkfeierlichkeiten für Leo Schlageter und Jürgen Paul Prahl versammelten sich Abordnungen der SA, SS und des Stahlhelm im Buniamshof und verbrannte dort die Bücher zahlreicher verfemter Autor*innen.

26. Mai 1933 – Auf dem Buniamshof – verbrannte-orte.de/luebeck

Helgoland

Gegen Bücher aus dem „Abschaum des Bürgertums“ richtete sich die Helgoländer Bücherverbrennung. Da es auf der Insel nur wenige Bibliotheken gab, standen Fackelzug, Feuer und drohende Reden im Mittelpunkt der Aktion der NSDAP Ortsgruppe.

18. Mai 1933 – Am Schulplatz – verbrannte-orte.de/helgoland

Hamburg – Kaiser-Friedrich-Ufer

Begleitet von wenig Öffentlichkeit und im Beisein einer, für Hamburg, relativ kleinen Menschenmenge, verbrannten die Hamburger Student*innen die Bücher im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“.

15. Mai 1933 – Kaiser-Friedrich-Ufer – verbrannte-orte.de/hamburg-kaiser-friedrich-ufer

Neustrelitz

Die Student*innen des Strelitzer Technikums veranstalteten am 13. Mai 1933 eine Bücherverbrennung im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“. Die verbrannten Bücher stammten vermutlich hauptsächlich aus Beschlagnahmungen in der Volksbücherei und der Gewerkschaftsbibliothek.

13. Mai 1933 – Paradeplatz vor der Orangerie – verbrannte-orte.de/neustrelitz

Halle an der Saale

Zwei Tage nach den landesweiten Veranstaltungen brannten in Halle die Bücher im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“. Der Scheiterhaufen wurde schon am Nachmittag von SA-Männern errichtet und mit Wahlplakaten und Bildern von Marx, Thälmann und Lenin umstellt.

12. Mai 1933 – Universitätsplatz – verbrannte-orte.de/halle-ad-saale

Braunschweig – Schlossplatz

Im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ verbrannten Student*innen und NSDAP die Bücher verfolgter Autor*innen auf dem Schlossplatz. Zusammen mit mehreren Tausend Braunschweiger Bürger*innen sangen sie nach der Verbrennung das „Horst-Wessel-Lied“.

10. Mai 1933 – Schlossplatz – verbrannte-orte.de/braunschweig-schlossplatz

Hannover

Wie auch in Dresden verbrannten die Hannoveraner Student*innen die Bücher, im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“, an der symbolträchtigen Bismarcksäule. Heute befindet sich an dieser Stelle der Maschsee.

10. Mai 1933 – Bismarcksäule in den Maschwiesen – verbrannte-orte.de/hannover

Göttingen

Im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ verbrannten Göttinger Student*innen die Werke vieler verfolgter Autor*innen. Die Verbrennung fand auf dem Platz vor der Albanischule statt.

10. Mai – Adolf-Hitler-Platz – verbrannte-orte.de/goettingen

Rostock

Am 10. Mai 1933 fand auf dem damaligen Friedrich-Hildebrandt-Platz eine Verbrennung im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ statt. Heute steht an dieser Stelle ein Parkhaus und die Straße ist umbenannt in Stampfmüllerstraße.

10. Mai 1933 – Friedrich-Hildebrandt-Platz – verbrannte-orte.de/rostock

Greifswald

Im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ verbrannten Greifswalder Student*innen die Werke vieler verfolgter Autor*innen.

10. Mai 1933 – Marktplatz – verbrannte-orte.de/greifswald

Kiel

In Kiel fand die Bücherverbrennung der Student*innen im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ statt.

10. Mai 1933 – Wilhelmplatz – verbrannte-orte.de/kiel

Dresden – Bismarksäule

Im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ verbrannten Studenten*innen der TU Dresden die Werke vieler verfolgter Autor*innen an der Bismarcksäule.

10. Mai 1933 – Bismarcksäule auf der Räcknitzer Anhöhe – verbrannte-orte.de/dresden-bismarksaeule

Magdeburg

In der Nacht zum 3. April 1933 stürmte ein 50-köpfiges Bataillon der SS das Haus der sozialdemokratischen Volksstimme. Das Haus wird besetzt und am 5. April werden Flugblätter, Fahnen und die Bibliothek mit rund 10.000 Bänden auf dem Domplatz verbrannt.

5. April 1933 – Domplatz verbrannte-orte.de/magdeburg

Flensburg – Nordertorplatz

Nach einer Besetzung des städtischen Jugendheims verbrannte die HJ die erbeuteten Zeitschriften und Bücher auf dem Nordertorplatz.

20. März 1933 – Nordertorplatz – verbrannte-orte.de/flensburg-nordertorplatz

Pirna

Plünderung und Verwüstung der Volksbuchhandlung durch die SA mit anschließender Verbrennung.

9. März 1933 – Breite Straße – verbrannte-orte.de/pirna

Dresden – Wettiner Platz

Am 8. März 1933 plünderten Einheiten der SA das Verlagshaus der sozialdemokratischen Dresdner Volkszeitung und verbrannten ihre „Beute“ auf dem Wettiner Platz.

8. März 1933 – Wettiner Platz – verbrannte-orte.de/dresden-wettiner-platz

Dresden – Große Meißner Straße

Am 7. März 1933 plünderten SA-Mannschaften die Volksbuchhandlung in der Großen Meißner Straße und verbrannten ihre „Beute“ auf der Straße. Der Buchhändler wurde vermutlich vorher gewarnt und konnte große Teile seines Bestandes in Kohlesäcken versteckt aus dem Laden schmuggeln und so vor der Verbrennung bewahren.

7. März 1933 – Große Meißner Straße – verbrannte-orte.de/dresden-grosse-meissner-strasse
Scroll to top